Seit 1. Mai sind Besichtigungstermine offiziell wieder möglich, und alles geht mehr oder weniger den normalen Gang. „Unsere Mitarbeiter sind wieder voll im Einsatz“, bekundet Karl Fichtinger, geschäftsführender Gesellschafter der IMMO-CONTRACT Makler GmbH, die Situation nach dem Wiederaufsperren. Ein bewussterer Umgang mit dem Wohn- und Immobilienthema scheint nunmehr allerdings angesagt. „Tendenziell werden höhere Werte als nur Quadratmeterpreis, Mietzins oder Bruttoanfangsrendite in das Denken der Immobilienwirtschaft Einzug halten“, kommentiert Nikolaus Lallitsch, Sprecher von Raiffeisen Immobilien Österreich, für die Immobilien-Redaktion. Andreas Karg, als Vorstand beim Maklerverband ÖVI mit Zukunftsfragen betraut, nennt ein Beispiel, wo ein Umbruch hilfreich wäre: „Statt Quadratmeter zu verkaufen, kann man paketweise Standards bezüglich Komfort und Sicherheit anbieten.“ Dieses wertorientierte Muster sei von anderen Produkten bekannt, und beim Wohnungsneubau wäre Derartiges sinnvoll.
Digitale Hilfe
Was das Krisenmanagement in der Maklerbranche betrifft, konnte der Wiener WKO-Spartenobmann Michael Pisecky Unterschiede wahrnehmen: „Unternehmen, die online gut aufgestellt sind, konnten einen guten Teil der Kundenwünsche erledigen, und alles ist gut weitergelaufen.“ Fünf bis sechs Wochen hat es bei der Consulting Company keine Besichtigungstermine gegeben. Geschäftsführer Florian Kammerstätter betont die Bedeutung von Online-Anfragen während der Zeit: „Vereinzelte Rücktritte nach Kaufanboten sind vom wiedereinsetzenden Neuinteresse praktisch kompensiert worden.“ Virtuelle Besichtigungen über gut gemachte Foto- und Videoaufnahmen und Animationen hätten sich dabei als hilfreich erwiesen. „Der erste Eindruck ist da, um einen Kunden neugierig zu machen, und das geht mit digitalen Mitteln“, zieht Kammerstätter Lehren aus der Situation. Ein Umdenken ortet er auch bei den Konsumenten: „Man setzt sich mehr als vorher damit auseinander, was tatsächlich angeboten wird.“ Es würde daher auch schneller festgestellt, ob etwas gar nicht infrage kommt. Virtuelle Rundgänge würden jedenfalls Möglichkeiten bieten, sich zusätzliche Eindrücke zu verschaffen.
Vorselektion von zu Hause
Andreas Karg hat seit rund zwei Jahren virtuelle Besichtigungstouren über sein eigenes Maklerbüro im Einsatz, und er stellt fest: „Die Kunden kommen mit höherem Vorwissen.“ Warum das für ihn als Makler wichtig ist, begründet er so: „Es kommt zu weniger Besichtigungen bei gleichzeitig höherem Interesse.“ Bei IMMO-CONTRACT geht man im Schnitt von zehn Besichtigungen pro Objekt aus. Läge eine Liegenschaft für ein Treffen nah genug, wäre eine mehr auch kein Thema. „Ist dies mit einer weiten Anreise verbunden, wird man lieber nicht gleich mit jedem besichtigen gehen“, meint Karl Fichtinger. Er verweist auch auf problematische Besichtigungen bei Bauprojekten: „Hier ist die Visualisierung fast unverzichtbar, um Baustellentermine zu reduzieren.“ Die eingelernte „neue Normalität“ dürfte sich auch im Berufsalltag niederschlagen. Das vermutet zumindest Michael Pisecky, und er kann dem auch Positives abgewinnen: „Nur notwendige Besichtigungen abzuwickeln ist gleichermaßen gut für Kunden wie auch für Makler.“
Mehrwert der Makler
Dass Online-Tools den Makler ersetzen könnten, glauben gefragte Qualitätsmakler nicht. „Die allerwenigsten Menschen mieten oder kaufen Objekte, in denen sie kein einziges Mal persönlich waren“, sagt Markus Kitz-Augenhammer, Gründer der Boubeva Makler GmbH, und er begründet das mit Eindrücken, die Interessenten am eigenen Leib erleben wollen. „Ein Kunde weiß am Anfang der Suche selbst oft noch nicht genau, wonach er sucht“, berichtet Kitz-Augenhammer. Für ihn stellt die Vermittlung daher einen Prozess dar, den es als Makler zu begleiten gilt und der über das Besichtigen hinausgeht.