Ein Unternehmen wandelt Leerstand in Lagerflächen für die Bewohner des Grätzels um. Eine Belebung der Erdgeschoßzonen bleibt so aber aus
Wien – Im Erdgeschoß des grauen Wohnbaus im fünften Wiener Gemeindebezirk wurden die Fenster mit Klebefolie beklebt, die Eingangstür zum Geschäftslokal ist abgesperrt. Wer hier reinwill, muss erst neben der Tür einen Zahlencode eintippen. Ein weiterer Leerstand eines Geschäftslokals in einer Nebenlage?
Die Antwort ist schwierig. In der Laurenzgasse, ein paar Schritte von der Wiedner Hauptstraße entfernt, hat die Immobilienrendite AG vor drei Jahren zwei leer stehende Geschäftslokale gekauft, zusammengelegt und daraus einen sogenannten “Local Storage” gemacht.
Wenig Frequenz
Seither können Platzsuchende online kleine Lagerabteile ab einem Quadratmeter und 30 Euro im Monat anmieten, um hier das unterzubringen, wofür in der Wohnung kein Platz mehr ist. Hinter den grauen Metalltüren der Lagerabteile lassen sich bei einem Lokalaugenschein Skier, Golfschläger, Gitarren, alte Polstermöbel und haufenweise Umzugskartons erahnen. Die Zielgruppe sind laut Markus Kitz-Augenhammer, Vorstand des Unternehmens, Bewohner des Grätzels, deren Keller zu feucht dafür sind, um dort etwas zu lagern.
Sechs Standorte betreibt sein Unternehmen mittlerweile in ganz Wien. In den inneren Bezirken seien die Lagerabteile so gut wie immer voll vermietet. Auf die Besucherfrequenz im Grätzel wirkt sich das aber nicht aus: “Die meisten Kunden kommen nur einmal im Jahr vorbei”, sagt Kitz-Augenhammer, der schon weitere potenzielle Standorte im Auge hat. Oftmals werde er auf Leerstände durch Makler aufmerksam, außerdem durchkämme ein eigenes Rechercheteam regelmäßig spannende Gegenden, berichtet er. Bald schon, so hofft er, soll es in jedem Bezirk mindestens ein Lagerabteil geben.
Cafés und Geschäfte
Wirklich belebt wirkt die Erdgeschoßzone in der Laurenzgasse trotz Lagernutzung nicht. Negative Rückmeldungen will Kitz-Augenhammer für sein Geschäftskonzept bisher aber noch keine bekommen haben. Viele Menschen würden sich wünschen, dass in jedes Erdgeschoßlokal ein Architekturbüro zieht, kritisiert er und schaut die Laurenzgasse hinauf: “Aber hierher zieht doch kein Architekt.”
Auch von Cafés und kleinen Geschäften werde immer geredet, sagt Architektin Sabine Pollak, Vizerektorin der Linzer Kunstuniversität: “Aber das ist viel einfacher gesagt als getan.” Dabei sei genau der ebenerdige Bereich der Gebäude für eine Stadt wichtiger als jedes Museum: “Das Erdgeschoß hat eine riesengroße Bedeutung in der Art, wie man die Stadt erfährt”, sagt sie. Eine kleinteilige, vielfältig genutzte Erdgeschoßzone sei ein großer Gewinn für Stadt und Grätzel – gleichzeitig sei es aber auch “unglaublich schwierig”, das Erdgeschoß zu beleben.
Warum das so oft nicht funktioniert, hat für Architektin Pollak viele Gründe: Nicht nur, weil in vielen Lagen die Mieten zu hoch sind, sondern weil auch immer öfter Investoren Wohnhäuser aufkaufen und kleine Geschäfte im Erdgeschoß im Zuge der Sanierung des Hauses verdrängt werden, kritisiert sie. Helfen könnten Initiativen und temporäre Nutzung, aber auch von der Stadt wünscht sie sich Regulative und Förderungen, um kleine Geschäftslokale zu erhalten.
Raum zum Handeln und Tauschen
Die Lagerabteile im Erdgeschoß sieht Pollak dennoch “nicht nur negativ”. Denn besonders in autofreien Neubauten werde immer öfter auf teure Garagen und Unterkellerungen verzichtet, die nötigen Lagerräume würden sich also gezwungenermaßen in den Erdgeschoßbereich verlagern.
Diese Räumlichkeiten könnten von den Bewohnern auch zum Tauschen und Handeln genutzt werden, schlägt Pollak vor: “Meine Idealvorstellung wäre, dass man diese Räume nicht vollständig schließt, sondern dass man ruhig sehen kann, was darin gelagert wird”, so die Architektin und fügt hinzu: “Das könnte wie eine Auslage von alten Dingen sein.”