Mietermorphose: Vom Büro zum Wohnbau

Wohnraum ist knapp, schon etwas in die Jahre gekommene Büros gibt es viele. Immer öfter wird daher die Umwandlung von Büroflächen in Wohnungen angedacht.

Heute ist in dem Bürogebäude an der Geiselbergstraße in Wien-Simmering noch ein Schulungsunternehmen zu Hause. In den nächsten Monaten wird es aber ausziehen – und Platz für ganz andere Mieter machen: Bis 2019 wird das Gebäude aus den 1970er-Jahren nämlich abgerissen und stattdessen ein Wohnbau entstehen, wie der Eigentümer, die Immofinanz, vor einigen Monaten ankündigte.

400 Mietwohnungen im “niedrigpreisigen Segment” sind an diesem Standort geplant, inklusive eines Wohnangebots für Studierende. Ob in Form eines Studentenheims oder flexibel vermietbarer Kurzzeitwohnungen, stehe noch nicht fest, berichtet Christian Traunfellner, Country Manager Operations bei der Immofinanz, dem STANDARD.

Neue Büroflächen

Passiert ist seit der Ankündigung aber noch nicht viel: “Wir sind im Genehmigungsverfahren. Das dauert leider immer seine Zeit”, sagt Traunfellner. Darin sieht er auch den Grund, warum Büros in Wien nicht in noch viel größerem Stil in Wohnungen umgebaut werden: “Das könnte deutlich schneller gehen und würde die Wohnungsknappheit vermindern.”

Denn in den nächsten Jahren werden in Wien viele neue, moderne Büroflächen fertiggestellt. Viele der in die Jahre gekommenen Objekte abseits der Wiener Bürocluster, die durch Umzüge frei werden, dürften es dann schwerhaben, neue Mieter zu finden.

Auch an zwei weiteren Standorten plant die Immofinanz daher, Büro- oder gemischt genutzte Gebäude in Wohnungen umzuwandeln: Am Floridsdorfer Spitz ist ein Mietwohnbau geplant. Die Baugenehmigung erwartet Traunfellner für das erste Quartal 2017. Ähnlich sieht der Zeitplan für ein Objekt an der Altmannsdorfer Straße aus. Beide Gebäude bleiben erhalten. Die Substanz des Gebäudes an der Geiselbergstraße sei hingegen zu alt, und Umbauarbeiten wären zu aufwendig gewesen, sagt Traunfellner.

Geschoßhöhe als Problem

Umbau oder Abriss? Das wird – abgesehen natürlich von Einschränkungen wie dem Denkmalschutz – nach wirtschaftlichen Kriterien entschieden, sagt der Wiener Architekt Thomas Hayde. Er hat das Projekt “Althan” in der Nähe der ehemaligen Wirtschaftsuniversität geplant, das gerade von 6B47 vom Bürohaus zu 240 Wohnungen umgebaut wird (siehe Foto). “In einem ersten Schritt geht es immer darum, den Bestand kennenzulernen”, sagt Hayde. Dafür müssen frühzeitig Fachplaner wie Statiker und Bauphysiker an Bord geholt werden.

Überprüft wird bei Bürohäusern beispielsweise vor der Entscheidungsfindung, wie viele Stahlbetonwände es gibt: “Je skelettartiger das Gebäude, desto leichter tut man sich beim Umbau”, sagt Hayde. Ein weiterer Aspekt sei die Geschoßhöhe, die bei Bürobauten oft niedriger als im Wohnbau ausfällt: “Es kann sein, dass die Bodenbeläge nahezu direkt auf der Betondecke picken”, sagt Hayde. “Aber es kann auch sein, dass es Doppelböden gibt und abgehängte Decken und dass hier dann großzügige Raumhöhen möglich sind.” Eine große Herausforderung ist auch die Haustechnik.

Hotel oder Gewerbeflächen

Die Lage ist dafür ein weniger wichtiges Kriterium, meint Traunfellner: Während ein mehr als fünfminütiger Fußmarsch zur U-Bahn für Büronutzer heute schon fast ein “K.-o.-Kriterium” sei, würden bei Wohnungen auch längere Fußmärsche zur nächsten Öffi-Station in Kauf genommen. “Wohnungen kann man immer vermieten”, so Traunfellner – wenn auch mitunter mit Einschränkung: “Die Lage wirkt sich natürlich auf den Preis aus.”

Und auch der Verkehrslärm: “Die Wohnungen, die zur Altmannsdorfer Straße hin ausgerichtet sind, werden sicher nicht so nachgefragt sein”, sagt Traunfellner. Weiter hinten gelegene Wohnungen würden dafür mit Terrassen ausgestattet und daher teurer sein. “Wenn es keine Industrielage ist, dann eignet sich in Wien fast alles für einen Umbau”, ist Traunfellner überzeugt – nicht nur zu Wohnungen, sondern, je nach Standort, zu einem Hotel oder Gewerbeflächen. “Aber derzeit ist Wohnen sicher die aussichtsreichste Möglichkeit.”

Für Georg Fichtinger, Head of Capital Markets bei CBRE, ist dieser Trend aber eigentlich schon wieder fast am Abflauen: “Die Umwandlung von Büros zu Wohnungen ist schon seit zehn Jahren ein Riesenthema”, sagt er. Der Trend spiele sich vorrangig innerhalb des Gürtels ab. Jene großen Wohnungen, die im Rahmen von solchen Umwandlungen bisher hauptsächlich entstanden sind, hätten aber nur eine überschaubare Käuferschicht. Künftig werde daher wohl immer öfter auf kompakte Grundrisse gesetzt.

Preise steigen weiter

Auch Markus Kitz-Augenhammer, Vorstand der Immobilienrendite AG, beobachtet die Entwicklungen am Büromarkt. Sein Unternehmen hatte ursprünglich vor, gemeinsam mit einer Trägerorganisation Wohnungen für anerkannte Flüchtlinge in Bürogebäuden zu errichten. Am Ende sei es aber an fehlenden langfristigen Zusagen gescheitert – und auch an den Preisen für Bürogebäude, die aufgrund der Nachfrage während der Flüchtlingskrise stiegen: “Plötzlich wollte jeder, der so ein Bürogebäude hatte, damit viel Geld verdienen.” Leistbares Wohnen sei so am Ende nicht mehr möglich gewesen.

Nun hat die Immobilienrendite AG in Alterlaa eine Halle mit kleinem Büroteil und einem angrenzenden Grundstück gekauft und will hier 67 kompakte Einheiten mit Wohnungsgrößen ab 30 Quadratmetern und smarten Grundrissen errichten. Die teuerste Wohnung wird weniger als 200.000 Euro kos-ten, kündigt Kitz-Augenhammer an. Die günstigsten sollen sogar nur im fünfstelligen Bereich liegen.

Wie das gehen soll? “Die Halle ist unterkellert, wir sparen uns also das Ausheben der Garage”, erklärt Kitz-Augenhammer. Unter Umständen könnten auch Teile der Halle für das Erdgeschoß erhalten bleiben. Die Zielgruppe für die Wohnungen sind Neuzuzügler aus den Bundesländern, aber auch anerkannte Flüchtlinge.

Suche nach Objekten

Derzeit werden unterschiedliche Vermarktungsstrategien dafür angedacht – etwa das gesamte Objekt an eine Stiftung zu verkaufen oder die einzelnen Wohnungen abzuverkaufen. “Mit den Wohnungen könnten wir in einem Dreivierteljahr fertig sein”, sagt Kitz-Augenhammer. Eine Baugenehmigung liegt noch nicht vor. Mittlerweile sei man aber auf der Suche nach weiteren Objekten.

Was die Sache aber erschweren könnte: Die Preise für Büroobjekte werden wohl noch weiter steigen, sagt Fichtinger. Schnäppchen – also im Dornröschenschlaf schlummernde, auf ein Refurbishment wartende Objekte – gebe es am Markt mittlerweile keine mehr. Eine Konsequenz aus dem Trend sei übrigens, dass kleinere Büros in manchen Lagen mittlerweile Mangelware geworden sind.

Nachhaltig planen

Werden also irgendwann einmal manche nicht mehr benötigte Wohnhäuser in Bürogebäude zurückverwandelt? In einer rasch wachsenden Stadt wie Wien wohl kaum. Im Sinne der Nachhaltigkeit sei es aber von Vorteil, bei der Planung eines Gebäudes andere künftige Nutzungen mitzubedenken, meint Hayde: “Dazu braucht man aber ein gewisses Bekenntnis der Projektentwickler.”

Im Alltag scheitere das oft an der Wirtschaftlichkeit: “In erster Linie geht es darum, wie viele Quadratmeter verwertbare Nutzfläche man erzielt”, sagt Hayde. “Wenn man ein ganzes Geschoß durch eine solche Planung verlieren würde, wird man sich wohl am Ende dagegen entscheiden.”

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